Manoppello
Wahrer Mensch und wahrer Gott
Auf einem Hügel außerhalb der Kleinstadt
Manoppello in den Abruzzen (circa
zwei Autostunden von Rom) befindet sich ein Heiligtum, in dem von
Kapuzinermönchen eine einzigartige Reliquie gehütet wird: ein zartes, fast
durchsichtiges Tuch mit dem Abbild des Gesichts des Heilands. Das Gesicht mit
dem leicht geöffneten Mund ist nicht unbedingt attraktiv und doch zieht der rätselhafte
Schleier den Betrachter unweigerlich in seinen Bann. Wie das Abbild auf dem
Turiner Grabtuch gilt der Schleier als nicht von Menschenhand geschaffen und
wie das Turiner Grabtuch ist er kunstgeschichtlich einmalig und ohne Vorläufer.
Faszinierend ist außerdem, dass der Schleier deckungsgleich über das Gesicht
auf dem Turiner Grabtuch gelegt werden kann.
Dieses Volto Santo, das von manchen mit dem
Schweißtuch der Veronika gleichgesetzt wird, taucht 1506 das erste Mal in der
lokalen Geschichtsschreibung auf, als es von einem unbekannten Pilger in die
Obhut eines Vornehmen des Ortes übergeben wurde. 1646 stellten die Kapuziner
das Tuch erstmals öffentlich zu Verehrung aus. Heute hängt es in einem doppelseitig
verglasten Rahmen oberhalb des Altares in der Basilika
von Manoppello. Über eine Treppe kann der Betrachter ganz nah an dieses
einmalige Bildnis herantreten und erleben, wie sich das Antlitz je nach Winkel
und Lichteinfall immer wieder neu offenbart. Dass keine Photographie den
Schleier angemessen wiedergeben kann, liegt wohl auch an dem ungewöhnlichen
Material: das Gewebe ist aus Muschelseide, dem teuersten Stoff der Antike und
des Mittelalters, von dem eigentlich gesagt wird, dass es nicht bemalt werden
kann.